«Ich halte gerne für ­Zukunftsvisionen die Nase in den Wind und versuche, beruflich am Puls der Zeit zu sein.»

«Geprägt haben mich eine starke Mutter, eine schöne Kindheit, Fröhlichkeit und unser offenes Haus.»

Luca Affolter: Du bist nun ein Jahr in der Mathilde Escher Stiftung. Bist du inzwischen ­richtig angekommen?

Katharina Hildebrand: Ich bin angekommen, fühle mich wohl und konnte von Anfang an auf grosse Unterstützung zählen. Ich bin stolz, Geschäftsführerin der Mathilde Escher Stiftung zu sein.

Wie war die erste Zeit in der Mathilde Escher ­Stiftung für dich?

Am Anfang prasselten viele Informationen in dichter Ladung auf mich ein. Abends hatte ich oft einen etwas quadratischen Kopf davon. Geholfen hat, dass ich sofort feststellen konnte, wie gut die Mathilde Escher Stiftung aufgestellt ist und funktioniert und wie viele motivierte, versierte und langjährige Mitarbeitende die Institution tragen und prägen. Und als ich dann etwas zur Ruhe kam, tauchte Corona auf …

Was sind die Herausforderungen in der Mathilde Escher Stiftung?

Herausfordernd sind die komplexen Finanzierungs­systeme der verschiedenen Bereiche mit den unterschiedlichen Anforderungen. Für die kommende Zeit werden auch die Veränderungen durch Integrationen, durch das Assistenzmodell und durch das neue ­Finanzierungsmodell für die Sonderschule heraus­fordernd sein. Die grosse Herausforderung aktuell ist das Bewältigen der Corona-Krise.

Langfristig sollen die Angebote den Bedürfnissen der betroffenen Menschen entsprechen. Ich habe den ­Anspruch, dass wir da flexibel genug sind, um Anpas­sungen zeitnah vorzunehmen und, wo nötig und ­möglich, neue Angebote zu schaffen. Nicht mehr zeit­gemässe Angebote müssen wir loslassen können.

Was sollte sich aus deiner Sicht in der Mathilde Escher Stiftung auf keinen Fall ändern?

Die Mitarbeitenden der Mathilde Escher Stiftung zeigen eine grosse Identifikation mit ihrer Aufgabe und dem Betrieb. Das soll und muss so bleiben. Dafür ist es ­wichtig und richtig, dass man gemeinsam Lösungen für die Zukunft erarbeitet. Im Weiteren muss die individuelle Lösungsfindung für die Anliegen der Bewohner und Bewohnerinnen weiterhin möglich sein, ja sogar ausgebaut werden können.

Du hast in deinem Leben schon viele verschiedene Dinge gemacht. Was hat dich beruflich besonders geprägt?

Die Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri hat mich für das ganze Leben geprägt, beruflich und privat. Ich habe da gelernt, immer die ganze «Szene» im Auge zu behalten und aufmerksam auf das Gegenüber zu reagieren. Ich achte auf die Körpersprache genauso wie auf die Worte. Ich bin gerne «Regisseurin».

Was sind deine schwierigsten Momente bei der Arbeit?

Schwierige Momente zeigen sich vor allem in Zeiten von Krisen. Da spüre ich die Verantwortungen noch deutlicher und realer – in jedem Moment, bei jeder Entscheidung. Die Entscheidungen sind nie für alle nachvollziehbar. Es gilt, bei sich zu sein, Fachargumente einzuholen, abzuwägen, mutig zu sein im Bewusstsein für die Risiken. Und auf das Team zählen zu können.

Was sind deine lustigsten Momente bei der Arbeit?

Die gibt es immer wieder, auch in Zeiten von Krisen. Zum Glück! Ich lache gerne und oft. Es sind die kleinen Momente, die froh machen.

Worauf legst du besonderen Wert bei deiner Arbeit?

Auf gegenseitigen Respekt. Auf Sorgfalt im Handeln und Entscheiden, auf Konstanz und Ehrlichkeit.

Was gefällt dir daran, Geschäftsführerin zu sein?

Ich bin ein Alpha-Mensch und fühle mich wohl so. ­Darum führe ich gerne. Ich trage gerne Verantwortung, bin es gewohnt und mag es, für die Anliegen der Mitarbeitenden ein offenes Ohr zu haben und individuelle Lösungen zu finden. Für die Menschen in der Institution stehe ich mit Herzblut ein und präsentiere die Institution gerne in der Öffentlichkeit und bei Mitgliedern der Verwaltung, wenn ich hinter dem Konzept stehen kann. Und das tue ich voll und ganz in der Mathilde Escher Stiftung. Ich halte gerne für Zukunftsvisionen die Nase in den Wind und versuche, beruflich am Puls der Zeit zu sein. Ich brauche Herausforderung!

Inwieweit darf eine Chefin auch Schwächen ­zeigen?

Gibt es denn Schwächen? In meinem Weltbild gibt es ­ausgeprägte Stärken und weniger ausgeprägte Stärken.

Was hat dich geprägt?

Geprägt haben mich eine starke Mutter, die mir immer vertraut hat, eine schöne Kindheit, Fröhlichkeit und unser offenes Haus. Geprägt haben mich aber auch einige schwere Verluste, ich habe meinen Vater sehr früh verloren wie auch meinen Partner. Das prägt.

Wie wäre ein Mensch, der das Gegenteil von dir ist?

Wir würden uns respektieren, kämen aber schon nicht immer klar. Wir könnten uns ergänzen, aber es würde mir mit dieser Person eventuell etwas langweilig werden …

Welche berühmte Persönlichkeit (lebend oder tot) würdest du gerne einmal treffen? Wo ­würdest du sie treffen? Worüber würdest du mit ihr sprechen?

Ich würde mit einigen Musikerinnen und Musikern eine Session machen, singen, tanzen, fein essen, lachen und sprechen. Anwesend wären Leonard Cohen, Joe ­Cocker, Janice Joplin, Mahalia Jackson, Al Di Meola, Bryan Adams, Harrys Alexio, Marianne Faithfull, Mercedes Sosa, Tracy Chapman, Carlo Bergonzi, Pippo Pollina. Und immer wieder würden neue auftauchen. Das kann irgendwo auf der Welt sein. Könnt ihr euch das vorstellen? Unglaublich, oder?

Welches war das schönste Kompliment, das dir jemand einmal gemacht hat?

Aus jeder Phase meines Lebens bewahre ich schöne ­Erinnerungen in mir drin auf. «Wer dich ins Team geholt hat, hat seine Prämie wirklich verdient», erhalten von den Kolleginnen und Kollegen der erweiterten Geschäftsleitung der Zürcher Kinder und Jugendheime zkj.

Was ist dein persönlich grösster Wunsch für die Zukunft?

Ich möchte eine zufriedene, aufgestellte, aktive, gesunde, kluge, stolze, liebenswerte, weise alte Frau werden.

Was bringt dich auf die Palme?

Wenn kein Feuer mehr brennt, im Herzen und in den Augen. Arroganz, Besserwisserei, abgelöscht sein und Schwarzwälder Torte.